Aus dem Landesinneren geht es in drei Tagen an die norwegische Atlantikküste. Dabei lasse ich die endlosen Hochfjellebenen endlich hinter mir und folge den Tälern vorerst in Richtung Trondheim. Ab Støren geht es jedoch weniger entspannt, aber mit traumhaften Sommerwetter über diverse Höhenzüge rauf und wieder runter. Rauf auf 300 Höhenmeter und wieder runter bis auf Meereshöhe.
Komfortplus Pilgerhütten
Am Morgen des Abreise aus Nordpå hat die Küche mir extra ein energiereiches, leichtbekömmliches Radlerfrühstück zubereitet. Anstatt Bacon und Eiern gibt es mehr Waffeln, Brötchen und frisches Obst sowie genug Marmelade und die ein oder andere Tasse Kaffee. Über die Nacht ist allerdings das gestrige Sommerwetter weitergezogen, so dass ich schließlich wieder unter einer geschlossenen Wolkendecke vom Hof rolle. Auch der Westwind hat wieder aufgefrischt, bringt mich vorerst, noch guten Mutes und energiegeladen, nicht aus der Ruhe. Landschaftlich attraktiv geht es im Tal der Gaula bis zur Knotenstadt Støren, wo ich anstatt nach Trondheim über die Bergkette nach Westen abzweige. Wäre da nicht der frische Gegenwind, die vollbeladenen LKWs und Wohnmobile, die mich im Minutenabstand überholen; ja dann könnte man es auch idyllisch nennen.
So ist es leider eine Odyssee und ich bin froh am Schnellstraßenkreuz in Støren in Ruhe einen Kaffee zu trinken und ein paar smurte Lefser zu naschen. Ohne konkretes Tagesziel beginne ich den Anstieg nach Bukleiva und wieder hinab nach Svorkmo. Es ist wirklich die Seuche erst buckelt man hunderte Höhenmeter hoch nur um sie direkt wieder herunter zu rauschen. Kaum ist man unten angekommen beginnt am Ortsausgang schon wieder der nächste Anstieg. Fahrradfahren in Norwegen kann mitunter sehr aufreibend sein, so dass man oft mit sich selbst zu tun hat und die Landschaft eher nebensächlich wahrnimmt. Rein zufällig stoße ich noch auf die Thamshavnbanen in Løkken Verk, bevor ich etwas außerhalb des Ortes mein Nachtlager in einer Pilgerhütte des St. Olavsleden beziehe. Wenngleich diese nahe der Hauptstraße liegt, schlafe ich mit vier Wänden doch eindeutig besser als in den bisherigen Windschutzhütten.
Nichts geht mehr in Surnadal
Ein weiteres und wohl letztes Mal bereite ich am Morgen Haferbrei auf dem Trangiakocher zu, da im weiteren Verlauf kaum noch Hütten entlang des Weges/Küste aufzufinden sind. Unter anderem aus diesem Grund reserviere ich deswegen noch ein Zimmer im Thon Hotel in Surnadal. Motiviert durch die Aussicht auf gratis Kaffee in der Lobby, ein Frühstücksbuffet und am Abend endlich wieder am Meer bzw. Fjord zu stehen sattle ich das Fahrrad wieder und mache mich auf den Weg. Was mich tatsächlich am "freien" Übernachten in der Natur stört, ist, dass man dazu neigt einfach nur aufsteht und radle um weiterzukommen. Ohne am Abend vielleicht nochmal einen Spaziergang zu machen, einen Kaffee oder Bier zu trinken oder sich mit ein paar anderen Menschen in der Herberge zu unterhalten. Aber diesen Gedanken werde ich wohl nochmal ausführlicher zu einem späteren Zeitpunkt nach der Reise diskutieren.
Das Höhenprofil an diesem Tag verlangt mir alles ab. Auch wenn der Verkehr weniger (schwer) ist, so ist jedes dicht-überholende Auto eines zu viel, während man an einem langen Anstieg kämpft. Es bleibt jedoch noch zu erwähnen, dass das Sommerwetter zurückgekehrt ist, ich aufgrund der noch vorerst frischen Temperaturen mit Fleck- und Regenjacke radle. Angekommen im Hotel falle ich dankbar in die fluffige Bettdecke und starre nach dem heißen Sommertag auf der Straße für ein paar Minuten regungslos an die Decke. Glücklicherweise liegt in direkter Nähe ein Supermarkt, wo ich für den Abend noch etwas Gemüse und ein Wrap kaufe.
Versteckt im norwegischen Fernsehen
Nach dem leichten Abendbrot bestehend aus einer Paprika, Zuckerschoten, Tomaten und dem Wrap freue ich mich am Morgen enorm auf ein umfangreiches, norwegisches Frühstücksbuffet. Ich werde nicht enttäuscht: es gibt dampfende Waffeln, Lefser, Lachs, frische Beeren für den Joghurt und so Vieles mehr. Eine Auswahl die mich für knapp eine Stunde in ihren Bann zieht, bevor ich gesättigt und glücklich meine gepackten Taschen aus dem Zimmer abhole. An diesem dritten Tag in Folge auf der Straße geht es westwärts an die Atlantikküste und von dort aus mit der Fähre weiter auf die Insel Smøla. Es ist ein ruhiger Samstagmorgen, kein Wind, kaum Verkehr und keine Wolken am blauen Himmel. Auch wenn es an diesem Tag immer wieder am Meer oder Fjorden entlang geht, so bleiben die Höhenmeter nicht aus und sind fast präsenter als an den vorherigen Tagen. Stetig geht es im Schatten der oft knapp tausend Meter hohen Berge auf und ab, links und rechts entlang der schroffen Küste.
Bei der Überfahrt nach Smøla überrascht mich vorerst das rege Treiben auf dem Fjord, was sich schnell mit einem Blick an den Horizont begründen lässt. Wie jedes Jahr sendet das norwegische Fernsehen live und mehrere Wochen lang, aus einem Zug, Auto, der Hurtigrute oder eben, wie dieses Jahr, einem Dreimaster, der nach und nach die Atlantikküste hinabsegelt. Diese Form des Sakte TV erfreut sich hier großer Beliebtheit und überall wo das Schiff auftaucht stehen Menschen am Land, schwenken Flaggen oder begleiten das Schiff schwarmartig auf seiner Reise. Im Nachhinein stelle ich fest, dass man mich, wenn man es weiß, tatsächlich live im norwegischen Fernsehen sehen konnte. Am morgigen Tag geht es dann über die Atlantikstraße weiter bis nach Molde, was aufgrund der örtlichen Gegebenheiten ein kleines Abenteuer wird...
Bis dahin,
Kai