Nach der ersten Nacht auf Blidö und einem morgendlichen Bad im Anschluss ans Frühstück, stelle ich zweifelsohne fest, dass ich im schwedischen Sommerparadies gelandet bin. Die Herberge Haraldsgård liegt nur wenige Meter vom Wasser entfernt, ruhig auf einer Insel im äußeren Schärengarten. Als ehemaliges Kinderlandheim mit (nun) kleinem Café sind es heutzutage die Jugendlichen selbst, die sich als Sommeraushilfen um die Bewirtschaftung kümmern. Mit etwas Starhilfe und nachfragen, wird das Frühstücksbuffett auch noch durch Butter, Marmelade und Kaffee ergänzt.
Am heutigen Sommertag ohne Abzüge geht es für mich mit den Schnellbooten auf die Nachbarinsel Norröra, die weitläufig vielleicht eher unter dem Namen Saltkråkan bekannt ist.
Die Fahrt, die beginnend in Stockholm schnell mehrere Stunden dauert, beläuft sich von Blidö ausgehend auf nicht mehr als eine halbe Stunde und kostet zum ermäßigten Tarif lediglich 4 €. Entgegen den Dampfschiffen aus den Zeiten von Melker, Målin und Co. durchpflügen die Schnellfähren geradezu den Schärengarten. An Bord gibt es neben einem oft umfangreichen Essensangebot auch WLAN und genügend Sitzplätze drinnen so wie an Deck. Wer allerdings trotzdem den alten Spirit erleben möchte, kann in der Sommersaison mit der Blidösund, eine Teilstrecke auf dem mehr als 100 Jahre alten Dampfschiff genießen.
Heute und damals
Der Mehrteiler Saltkråkan aus den frühen 70er Jahren hat in Schweden nicht nur Kultstatus. Auch wenn sich Schweden in den vergangenen 50 Jahren signifikant verändert bzw. weiterentwickelt hat, so verkörpert Astrid Lindgrens Klassiker die Grundprinzipien schwedischer Sommerferien heute wie damals. Das realisiere ich umgehend an der Brücke von Norröra, wo Tagesbesucher von Inselbewohnern oder Ferienhausbesitzern mit kleinen Sackkarren in Empfang genommen werden. Geichzeitig wird die Post übergeben und im naheliegenden Empfangshaus in Kästen zum Abholen einsortiert. Gleichzeitig baden Kinder auf den nahegelegenen Schären und Stegen, entgegen der örtlichen Tradition allerdings nicht in voller Montur. Nur der bullige Bernhadiner bleibt aus, obwohl dieser als Inselmaskottchen eigentlich Pflicht sein sollte.
Die Insel selbst ist durch schmale Sandpfade erschlossen, die ich in den folgenden vier Stunden nach und nach erkunde.
Auf den Spuren von Bootsmann
Um die Filme so authentisch wie möglich zu halten wurden die Dreharbeiten hauptsächlich hier auf Norröra durchgeführt. Aufgrund der abgeschiedenen Lage und der damaligen Zeit lebte und arbeite die gesamte Filmcrew hier während der Sommermonate. Trotzdem das ein oder andere modernere Häuschen seitdem dazu gekommen ist, so ist der Charme der Insel tatsächlich erhalten geblieben. Unsymmetrische Stege führen hier und da ins Wasser, keine touristischen Hotspots wie Cafés, Souvenirläden oder Restaurants. Schließlich erreiche ich das Sommerhaus der Familie Melkerssons. Entgegen der anderen Orte oder Häuser darf man diesem Pilgerort gerne etwas näher kommen, trotzdem das Haus weiterhin aktiv jedoch privat genutzt wird. In den letzten Jahren sind allerdings die Bäume etwas gewachsen, die nun hoch über dem Haus thronen.
Es ist erstaunlich wie viel man mit einem Haus verbinden kann, das bisher nur auf VHS Kassetten über einen alten Röhrenfernseher geflimmert ist. Pelle’s Wespen über dem Eingang, die überschwemmte oder neu-gestrichene Küche, die Sahnetorte zu Pelle’s Namenstag und so vieles mehr.
Verlängerung im Paradies
Auf der schließlich anstehenden Rückfahrt von Norröra mache ich noch einen Zwischenstopp auf Gräskö. Dort sehe ich allerdings in knapp einer Stunde nur die Badebrücke aus allen Perspektiven - von oben, unten, links und rechts. Egal von wo man jedoch im Schärengarten von Stockholm zurück möchte, so sollte man nie die Betätigung des Semaphons vergessen. Diese Einrichtung, i.A. eine hohe Klapptafel, regelt die Notwendigkeit eines Bedarfshalts und ist meist schon weit im Voraus sichtbar. Wenn man diese also nicht aufstellt, kann es mitunter vorkommen, dass die Schiffe bereits vorher abzweigen und gar nicht erst den Umweg zur Brücke machen.
Mit ein paar anderen Wochenendrückkehrern geht es nach dem Badestopp am Ende des Tages wieder zurück nach Blidö. Nach einem weiteren Tag, den ich für etwas Planung und Entspannung nutze, geht es heute auf die nächste Etappe. Beginnend mit einer kleinen Fähretappe nach Östersjö umgehe ich vorerst die ewige Landstraße nach Norrtälje. In den folgenden Tagen geht es von Väddö wieder ans Festland und in gerader Linie bis nach Falun. Dort kommen nicht nur die weltbekannten Dalarna-Pferde her, sondern auch die so markante kupferrote Farbe von unzähligen Häusern hier in Schweden.
Bis dahin,
Kai