Dass sich auf Fahrradtouren nicht immer alles optimal fügt, ist den Umständen geschuldet offensichtlich. Wenngleich man als Mathematiker dazu neigt, die Planung so lange zu verfeinern bis sie, entsprechend böser Randbedingungen, wenigstens nahe dem Optimum liegt. Kurzum: für die Etappe in den Schärengarten gilt: Erst die Arbeit dann das Vergnügen.
Bikepacking für Fortgeschrittene
Trotz dem überraschenden Konzept einer Tageskabine konnte ich auf der dreieinhalbstündigen Überfahrt wenigstens etwas schlafen. Zu einer nichtsdestotrotz äußerst unchristlichen Uhrzeit (4.30 Uhr) rolle ich schließlich mit den ersten Sonnenstrahlen von Bord der M/S Drotten in Nynäshamn. Zu spät für ein weiteres Nickerchen am Strand radle ich alleine auf den noch leeren Landstraßen in Richtung Stockholm. Noch bevor ich die ersten Stadtausläufer der schwedischen Hauptstadt erreiche, lege ich südwestlich vom Tyresta Nationalpark eine Frühstückspause ein. Während meine Beine im Stile eines Tauchsieders im Meer hängen, gibt es Haferbrei mit Müsli und Apfelstückchen - bewehrt, energiereich und schnell zubereitet. Nach 20 km durch den Regen vor der Überfahrt und bereits 40 km von Nynäshamn, fordern mir die darauf folgenden 75 km bis Vaxholmen alles ab - physisch und psychisch.
Deshalb nur in einem Satz: Im prallen Schein der Mittagssonne geht es durch Hochhausbezirke auf vielbefahrenen Landstraßen auf und ab durch den Schärengarten bis ich die Fahrrinne nahe Oskar-Fredriksborg erreiche. Besonderes zermürbend sind die andauernde Inselüberquerungen, die entgegen der Schären an der Westküste keineswegs glattgebügelt sind.
Die Köttbullarpolizei
Gerettet wird diese Kampfetappe jedoch noch vor Ende durch eine gebührende Portion Köttbullar auf einer Terrasse direkt am engen Sund nahe der o.g. ehemaligen Festungsanlage. Etwas rhetorisch fragt mich doch die Kellnerin, ob es mir nichts ausmachen würde, dass die Preiselbeeren (schon) alle sein. Völlig entsetzt äußere ich allerdings den Wunsch doch gegebenenfalls eine alternative Marmelade nachzureichen. Ergebnis: Köttbullar schmecken auch mit Erdbeermarmelade. Es bleibt offen, wer hier die schlimmere Unsitte begangen hat: ein Restaurant, das um 16.00 Uhr keine Preiselbeeren mehr hat oder ein Tourist der sich alternativ Erdbeermarmelade ordert.
Etwa eine weitere Stunde und zwei Fähren später erreiche ich den Windschutz der sich als respektable Holzhütte im Wald herausstellt. Aufgrund der offenen Feuerstelle im Haus und dem damit verbundenen, markanten Rauchgeruches schlafe ich allerdings kurzerhand auf der Terrasse.
Süßer Duft am Wegesrand
Am Folgetag geht es schließlich entlang der nördlichen Uferlinie in die äußersten Bezirke des Schärengarten, wo ich für die kommenden Tage und Ausflüge eine nette Herberge auf Blidö gefunden habe. Bei ähnlichen Temperaturen und weiterhin wolkenfreien Himmel kann ich am folgenden Tag allerdings auf wenig-befahrene Nebenstraßen ausweichen. Während einer Pause stelle ich schließlich fest, dass am Wegesrand nicht nur Wilderdbeeren wachsen, sondern ebenso die ersten Blaubeeren bereit zum Verzehr sind. Neben ein paar getrockneten Aprikosen geben diese eine wunderbare Stärkung ab und lassen nur Gutes hoffen für die kommenden Kilometer landeinwärts in ein paar Tagen.
Am morgigen Tag geht es jedoch vorerst auf Entdeckungstour auf die Nachbarinsel Norröra, die weitläufig vielleicht eher unter dem Namen Saltkråkan geläufig ist.
Bis dahin,
Kai