Fårö sommer Raukar

Midtsommer på Gotland

Mittsommer steht vor der Tür und keiner sagt was. Natürlich wusste ich, dass in Schweden an diesem Samstag das Mittsommerfest gefeiert wird, aber aufgrund der ungewissen Lage wurden leider weit im Voraus sämtliche Feierlichkeiten von Vornherein abgesagt. Das ruft natürlich nach eigener Initiative und so bleibe ich das Wochenende auf Fårö und entspanne beim gutem Essen, Zeit in der Natur und im Meer.

Raukar für Fortgeschrittene

Nach meiner Ankunft am Donnerstagabend geht es für mich am Freitag auf eine Rundtour über die Insel. Denn Fårö selbst ist wieder eine Art Satelliteninsel von Gotland. Aufgrund des nahezu blattaderartigen Straßennetzes wird aus der Rundtour allerdings schnell ein zielloses Kreuzundquer über die erstaunlich weitläufige Insel. Egal mit welchem Ziel man allerdings nun die Insel erschließt, so sollte man sich die Küstenstraße im Nordwesten der Insel nicht entgehen lassen. Im Gegensatz zu den Kalksteinsäulen auf Öland sind die Raukar am Strand von Langhammar geradezu gigantisch. Zum Teil gebaut wie ein fortgeschrittener Jengaturm mit dünnen Gerippe am Boden wirken sie fragil und sind trotzdem bzw. gerade deswegen mehrere Millionen Jahre alt. Im weiteren Verlauf der Küste sind auch die einsamen Fischersiedlungen im Stile vergangener Zeiten ein absoluter Hingucker. Einsam, schlicht, schwarz und auf Stein gebaut, ausgesetzt dem rauen Meeresklima und die hölzerne Fischerboote im rauen Meer des Steinstrandes.

Militär, Industrie und Natur

Wen es andererseits mehr zur näheren Vergangenheit hinzieht, der sollte sich die Insel Furilden im Nordosten von Gotland nicht entgehen lassen. Erst Steinbruch, dann lange Zeit militärisches Sperrgebiet und nun Naturpark mit Industrieruine. Ein Wandel der seines Gleichen sucht und so inspirierende wie auch divers. Während an der Westküste kaum ein Grasbüschel zu finden ist, so wachsen im Inselinneren haushohe Holunderbäume nahe den industriellen Überresten. Die folgende militärische Inanspruchnahme als Radarstützpunkt hat sicherlich dazu beigetragen, dass die Natur ungestört das Gelände zurückerobern konnte. Heute riecht es intensiv nach Holunderblüten bis man die Baumgrenze erreicht und auf die Betonbauten und Hafenanlagen des ehemaligen Kalksteinbruchs stößt. Zum Schluss bleibt noch zu erwähnen, dass der Björn (von ABBA) lange Zeit versucht hat sich hier im großen Stil zu etablieren - Luxusvilla, Musikstudio, was man so braucht. Zu guter Letzt wurde das Projekt allerdings aus Umwelt- und bautechnischen Bedenken abgelehnt, weswegen heute kleine, private Ferienhäuser die Insel erobern.

Fahrradfahren auf Gotland, soweit ich dies jetzt behaupten kann, ist also ein absolutes Erlebnis. Nicht nur die Vegetation betreffend sondern auch die markante Art und Weise, wie Menschen hier lange vor der Industrialisierung gelebt und gewirtschaftet haben. Mir genügt allerdings der erste Überblick, bevor ich mich noch ausversehen in eines der vielen, sicherlich guten Heimatmuseen verirre.

Mittsommer in Eigenregie

Auch wenn ich mir den kleinen Ferienort Fårö bewusst über Mittsommer ausgesucht habe, so war doch früh klar, dass es trotz aller schwedischen Gelassenheit keine öffentlichen Mittsommerfeierlichkeiten gibt. Das Fest an dem in ganz Schweden alles still steht (oder auch eben nicht) wird jedes Jahr am Wochenende nach der Sommersonnenwende gefeiert. Traditionell mit einem feierlich aufgestellten Maj-Baum bzw. eigentlich Majstång der später in Ringen umtanz wird. Dabei ähnelt der Baum tatsächlich dem deutschen Maibaum, wobei der Wortteil Maj jedoch auf den Schmuck mit Blumen und Birkenlaub anspielt und nichts mit dem Monat zu tun hat.

Auf kulinarischer Ebene findet man im Allgemein die Boten des Frühsommers - Erdbeeren, neue Kartoffeln und Hering als Schlüsselsteine. In meinem Fall entscheide ich mich notgedrungen allerdings für einen frischen, mediterranen Rucolasalat mit gerösteten Mandeln, Kirschtomaten und Parmesan. Dazu gibt es ein kühles Bier der Gotland's Brauerei aus Visby und Focacciabrot vom Bäcker des kleinen Örtchens. Um nicht mit diversen offenen Resten am Abreisetag dazustehen muss man schließlich einen Kompromiss zwischen Tradition und Logistik eingehen.

Nun geht es am heutigen Tag, mit dem Erscheinen des Artikels weiter entlang der Gotlandroute in Richtung Süden der Insel. Bis ich in ein paar Tagen wieder die Insel in Nacht und Nebel verlasse, sind es allerdings noch ein paar Kilometer und Zeit die kommenden Ziele abzustecken.

Bis dahin,

Kai

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