Gotland Sommer

Mit dem Fahrrad in die Nacht

Drei weitere Nächte Urlaubsverlängerung in Böda und die Zeit vergeht wie im Fluge. Gleichzeitig stecke ich meine kommende Etappe auf Gotland ab und mache mich schließlich am Mittwoch auf den Weg. Mit einer nahezu erzwungenen Tour durch die Nacht, ist die Anreise nach Fårö allerdings ein wenig fordernder als sonst.

Planen und Genießen

Nach den zahlreichen Stunden auf dem Sattel und dem Ultra Trail am Samstag entschließe ich mich, weitere drei Nächte in Böda zu bleiben. Neben der wirklich hervorragenden Unterkunft ist die Gegend hier im Norden von Öland perfekt auf mein Verständnis von Urlaub zu geschnitten. In variierender Reihenfolge laufe ich eine Runde durch den Kiefernwald, schwimme zur Erfrischung am feinen Sandstrand und runde die Tage mit einer Fahrradtour zum nächsten Café ab.

Währenddessen plane ich meine kommende Etappe auf die Nachbarinsel Gotland. Auch wenn es dort absolut keine Windschutzhütten gibt, so ist wenigstens die Bed&Breakfast-Dichte (kurz BBD) räumlich konstant. Im Gegensatz dazu ist jedoch die zeitliche Variation der BBD um Mittsommer keineswegs Null, was mir bei zahlreichen Leider ausgebucht! Hinweisen bewusst wird. Gleichzeitig beinhaltet die Anreise von Öland zwei Fähren, die leider nicht aufeinander abgestimmt sind. Somit geht es am Vormittag nach Oskarshamn (auf dem Festland) und am Abend weiter nach Visby auf Gotland mit Ankunft um 0.10 Uhr am Folgetag. Zum Übernachten im exklusiven Visby zu spät und für einen „Early-Check In“ in der Herberge auf Fårö etwas zu früh. Zur Lösung des Problems später mehr.

Abstecher nach Småland

Chronologisch beginnt die Odyssee von Insel zu Insel zu Insel mit der Abreise in Böda bei leicht bedeckten Verhältnissen. Während der Sommermonate verbindet die gut betuchte M/S Solsund das kleine Fischerörtchen Byxelkrok mit Oskarshamn. Bei markanten Nordwind rollt die 50 Jahre alte, stabilisatorlose Fähre mindestens Kaffeebecher-unfreundlich auf der gut zwei Stunden langen Überfahrt. Angekommen auf dem Festland habe ich für die gut sieben Stunden "Lay-Over" eine kleine Tour gen Süden entlang der Küste herausgesucht. Auch wenn ich es dieses Mal nicht nach Lönneberga schaffe, so entspringen die kleinen Nebenstraßen durch Småland's Wälder ebenso sehr den Illustrationen von Sven Nordqvist. Früh genug mache ich nach einer Pause im Nichts kehrt und vertreibe mir schließlich die restliche Zeit im Bahnhofsrestaurant von Oskarshamn. Das Bahnhofsgebäude samt Restaurant ist ein klassischer Prachtbau am Ende einer leider heutzutage stillgelegten Nebenbahn. Sei es drum, das Essen ist gut und der Blick auf Hafen, Stadt und alte Bahnanlagen inspirierend.

Grenzkontrollen auf Gotland

Früh genug mache ich mich auf den Weg zum Anleger der Fähre nach Gotland, wo ich zwischen LKWs und Wohnmobilen meine eigen Spur habe. Die Dimensionen von Terminal als auch Fähre, lassen erahnen, dass hier bereits in Millionen Passagieren pro Jahr gerechnet wird. Tatsächlich Überrachen tut mich dann allerdings der konsequente Sicherheitsdienst, der stichprobenartig diverse Autos, Wohnwagen und auch mein Fahrradgepäck durchsucht. Auf die Frage, ob ich etwas Verbotenes mit mir führen würde antworte ich mit einem sicheren: "Ich denke nein. Was denn?" Verdachtsunabhängig kontrolliert er meine linke Packtasche und wird bei dem weißen Pulver in einem Gefrierbeutel stutzig. Glücklicherweise ist das Waschpulver parfümiert, aber der Blick des Beamten war Gold wert, als er das Tütchen prüfend gegen die untergehende Sonne hochhält. Welch sonderbares Prozedere bei einer Inlandsreise.

Mit als eine der letzten Gruppen darf ich an Bord der M/S Drotten rollen, die mit ihren überdimensionalen, faltbaren Heckklappen allerdings eher klotzig daherkommt. Anfang der 2000'er in Guangzhou gebaut ist das Schiff schon etwas in die Jahre gekommen, wobei die Liegesessel durchaus annehmbar sind. Zudem funktioniert das WLAN derart zuverlässig, dass ich mit etwas Verspätung die letzten Gruppenspiele der EM ohne Abbruch verfolgen kann. Aufgrund der anhaltenden Flutlichtbeleuchtung ist an mehr als Entspannen allerdings nicht zu denken, während der etwas dreistündigen Überfahrt.

Mit dem Fahrrad in die Nacht

Mitten in der Nacht erreichen wir schließlich den Hafen von Visby. Wohingegen das Boarding gut angeleitet wurde, so herrscht beim Deboarding auf dem Hafengelände Anarchie. Zwischen LKWs und Autos von allen Seiten versuche ich auf dem unbeleuchteten Hafengelände den Ausgang zu finden, was mir schlussendlich gelingt. Wie bereits erwähnt, ist es für eine Übernachtung in Visby zu spät und ganz bis nach Fårö durchzufahren bringt mir nicht außer Wartezeit und liegengelassene Sehenswürdigkeiten. Also radle ich vorerst planlos durch die Nacht und hoffe auf einen ruhigen Picknickplatz etwas außerhalb der Stadt. Solche Touren durch die Nacht oder den frühen Morgen sind zwar anstrengend aber auf eine Art und Weise auch sehr inspirierend. Man sieht wenig, man hört wenig, man denkt wenig.   Zu guter Letzt bzw. um 2.00 Uhr finde ich ein scheinbar ruhigen Steinstrand nahe Lummelunda. Im Schimmer der bereits wieder aufkommenden Helligkeit mache ich es mir mit Luftmatratze und Schlafsack am Strand gemütlich und hoffe dass es trocken bleibt.

Ohne jegliche Überdachung bleibt mir auch die frühe Helligkeit nicht verborgen, die mich nach ein paar Stunden wieder aus dem unruhigen Schlaf holt. Nach einer kurzen Nachtruhe geht es um 7.30 Uhr weiter auf der Rundroute Gotland bis nach Fårö. Auf Grund der frühen Uhrzeit radle ich lange Zeit ungestört auf den unendlichen Landstraßen und erreiche am späten Vormittag die Steilküste nahe Hallshuk. Im Hinterland des steil abbrechende Kalkgesteins gefällt es auch kleinen/privaten Weinplantagen sehr gut. Nach einer Foto und Essenspause setze ich die Tour in Richtung Blaue Lagune fort, einem ehemaligen, nun gefluteten Kalksteinbruch. Das magische türkise Wassre setzt sich dabei beeindruckend von den grünen Kiefern und dem weißen Ufer ab. Schlussendlich geht es nach einer Kaffeepause in Fårösund mit der letzten Fähre hinüber nach Fårö und weiter zur Herberge in Sundersand.

Bis dahin,

Kai

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