Ostern steht vor der Tür und während der Frühling kalendarisch schon vor ein paar Tagen eingeläutet wurde, endet zugleich eine besondere Zeit hier im nördlichen Schärengarten. Die Hauptrolle dabei spielen die lokalen Osterfeuer auf jeder Insel, die trotz Corona nicht unter- bzw. abgesagt wurden.
1. Akt: Knut für Fortgeschrittene
Jeder Freund skandinavischer Gemütlichkeit oder lediglich Kunde des bekannten schwedischen Möbelhauses IKEA wird möglicherweise schon einmal über das Knut [Knüt] "gestolpert" sein. Auch wenn die damals angedeutet Tradition (IKEA Werbung 1996) wohl etwas überzeichnet ist, so ist im Kern doch etwas wahres dran. Kalendarisch markiert der (Sankt) Knut-Tag am 13. Januar das Ende der Weihnachtszeit. Rein praktisch entstand dieser dadurch, dass dem dänischen König Knut IV. die Weihnachtszeit bis zum 6. Januar zu kurz war und er sie um eine Woche verlängerte.
Unabhängig davon wie man nun seinen Tannenbaum Anfang Januar aus dem Wohnzimmer entfernt, so wird eben jener hier draußen in den seltensten Fällen von der Müllabfuhr abgeholt. Mit dem ersten Tannenbaum, der die sicheren vier Wände verlässt, kommt die Inseljugend und bugsiert die noch frische Beute in ein sicheres Versteck irgendwo auf der Insel. Wie bei den Mukklas bei Findus und Pettersson zeugen nur vereinzelt Spuren im Schnee oder verräterische Tannennadeln auf der Straße vom heimlichen Treiben. Spuren die sich in der nahen felsigen Natur schnell verlieren...
2. Akt: Der Baumkampf
Um zu verstehen warum die Tannenbäume versteckt werden, ist ein Blick auf die nun anstehenden Osterfeierlichkeiten von Nöten. Dabei wird im Laufe des Ostersamstag auf jeder Insel ein Osterfeuer errichtet und am späten Abend um 22.00 Uhr entzündet. Da eben jene sich meistens am höchsten Punkt der Insel befinden, sind diese weit sichtbar und somit Grund genüg für einen Wettkampf zwischen den Inseln. Wessen Feuer brennt am längsten, am hellsten, am größten.
Um in diesem Zusammenhang nicht Gefahr zu laufen wertvolles Brennmaterial einzubüßen, werden die Tannenbäume logischerweise versteckt und erst am Ostersamstag hervorgeholt. Eine ungeschriebene Regel besagt, dass letztere (neben Brandbeschleunigern) der einzig zulässige Brennstoff sind. Ein logische Folge dieses Treibens ist natürlich die Verstecke auf den Nachbarinseln aufzutreiben oder gar zum ahnungslosen Festland überzusetzen. Während eben jene Eroberungskriege weitesgehend friedlich ablaufen, so sind gelegentliche Ausschreitungen bei einem überraschenden Aufeinandertreffen durchaus möglich. Ohne zu viel zu verraten so sind alte Lagerhallen, Garagen, Fischerhütten, einsame Schären oder dichtes, hüfthohes Gestrüpp gern genommene Verstecke.
3. Akt: Die Errichtung
Es ist Ostersamstag und nach einem gemütlichen Osterbrunch mit eingelegtem Hering und Lachs machen wir uns auf den Weg, um das Treiben am Osterfeuer zu beobachten. Im Gegensatz zum deutschen Haufenprinzip wird hier zylindrisch in die Höhe gebaut. Gebettet auf alten Ölfässern - Inhalt unbekannt - schichtet man die Tannenbäume um einen Richtbaum in die Höhe. Gelegentlich wird das Feuer dabei mit einem Drahtseil umspannt, um die nötige Stabilität zu gewährleisten und mehr Höhe zu gewinnen als Breite. Währenddessen wummert aus den Lautsprechern auf der Ladefläche eines Jeeps Hard Rock und über einen Trampelpfad werden kontinuierlich mehr und mehr Tannenbäume angeschleppt.
Wir verlassen die Szenerie nach einer Stunde wieder, um am Nachmittag noch einmal Frühlingsbaden zu gehen. Am Abend bin ich zum Osteressen bei meinen Vermietern eingeladen, bevor es um 22.00 Uhr ernst wird. Aufgrund der immensen Größe des Feuers positioniere ich mich entgegen der Windrichtung etwa 200 Meter entfernt auf einer Anhöhe. Von dort kann man die Leuchtfeuer von Amon Dîn ähm Hönö im Süden und die Feuer im Norden gut erkennen.
4. Akt: Alles brennt
Alles beginnt mit einem kollektiven Grölen, beantwortet von einem entfernten Ruf der Konkurrenz. Danach wird das kleinere Vortäuschfeuer entzündet, bevor das eigentliche Osterfeuer in Flammen aufgeht. Immer wieder schallen die Anfeuerungsrufe zwischen den Feuern hin und her und schließlich entzündet sich das ca. acht Meter hohe Feuer über den Köpfen der grölenden Inseljugend. Innerhalb von Sekunden breiten sich die kleinen Flammen im Kern und am Fuße des Feuers aus und wenig später steht alles lichterloh in Flammen. Trotzdem ich soweit entfernt stehe, so überträgt bereits das helle Leuchten eine spürbare Wärme, während die Flammen noch einmal doppelt so hoch in den Himmel steigen. Es ist schlichtweg gigantisch und ich habe bis dato noch nie so viel gleichzeitig freigesetzte Energie gesehen bzw. gespürt.
Bis dahin,
Kai
[…] zum Osterartikel: die erwähnten Ölfässer waren mit Speiseöl gefüllt, da seit einigen Jahren (reines) Mineralöl […]