Nachtzug Schweden

Einstieg in das neue Jahr

Es wäre das fünfte Mal in Folge gewesen, dass ich zusammen mit bzw. bei meiner norwegischen Gastfamilie den Jahreswechsel verbracht hätte. Nun ist dieses Jahr alles anders, aber natürlich nicht alles schlecht.

Ruhig und Natürlich

Für den Neujahrsabend habe ich keine großen Pläne gemacht und entscheide mich so spontan den Jahresübergang mit einem Picknick in der Natur zu beginnen. Ebenso "planlos" aber zielsicher kaufe ich am Morgen des 31. Dezember noch die restlichen Sachen für das abendliche Neujahrsessen ein. Nach einem kürzlichen Gespräch mit Freunden in der Heimat, gibt es auf deren Anregung hin das schwedische Nationalgericht: Köttbullar. Dazu natürlich einen selbstgemachten Gurkensalat und zum Nachtisch tilslørte Bondepiger. Letzteres erhält durch Restbestände in Form von Glühwein und Pfefferkuchen eine herrliche weihnachtliche Note.

Nachdem ich gleichzeitig Kartoffelbrei gemacht, Möhren gedünstet, Köttbullar (nur) gebraten, Gurken filetiert und Glühwein gekocht habe, gleicht die Küche einem Schlachtfeld. Während ich in der folgenden Stunde eben jenes Chaos wieder beseitige, lausche ich wohl ein letztes Mal dem norwegischen Weihnachtsradiosender. Im Anschluss schaue ich einmal bei meiner Gastfamilie herein, die den Neujahrsabend ebenso spontan auf sich zu kommen lassen hat. Da die Kinder bei Verwandten übernachten und die Mutter arbeitet, schließt sich der Vater meinem Vorhaben an und begleitet mich auf meinem Neujahrsausflug in die Natur. Zudem kennt er noch einen Insiderspot mit einem Rundblick über die Insel ganz in der Nähe, was mir natürlich zu gute kommt, da ich im Grunde einfach auf gut Glück losgelaufen wäre.

Teil der Gang

Um halb zwölf machen wir uns auf den Weg bzw. entscheiden uns kurzerhand (wieder) um und nehmen das Lastenmoped. Dies gleicht einem in der Fahrtrichtung umgekehrten Trike mit großer Ladefläche anstatt Motor. Ich nehme auf selbiger Platz und wir düsen dem Schein der Stirnlampe hinterher. Souverän weicht der Gastvater kleinen Feuerwerksleichen, Bodenwellen oder Schlaglöchern aus. Mit jedem Mal Abbremsen heult der kleine 2-Takter beim Beschleunigen umso mehr auf und ich realisiere langsam, dass ich nun Teil der Gang bin... Nach diversen Schleichwegen erreichen wir die kleine Anhöhe am östlichsten Punkt der Insel, die allerdings unter Inselbewohnern gut bekannt zu sein scheint. Angekommen auf Spitze treffen finden wir ein ruhiges Plätzchen mit einem uneingeschränkten 360°-Blick über den gesamten nördlichen Schärengarten, soweit man das im Dunkeln behaupten kann.

Neben Glühwein bestehend aus dem vermeintlichen Glühwein und Blaubeersaft gibt es dänische Rugbrød-Chips. Da in Schweden keine Einschränkungen zum Abbrennen und/oder Verkaufen von Feuerwerk eingeführt wurden, bin ich gespannt wie sehr man hier das Jahr begrüßt. Um fünf Minuten or Zwölf scheint die Toleranzschwelle bereits überschritten zu sein und der Himmel über dem Schärengarten erleuchtet hell und bunt. Ich genieße den Moment und die Tatsache, dass ich in Schweden, im Schärengarten, mit einem Schweden sitze und Glühwein trinke.

Pure Eisenbahnromantik

In Zuge diverser anstehender Projekte ab Mitte Januar, empfand ich es als klug bereits jetzt direkt nach Silvester eine Woche Winterurlaub zu machen. Auserkoren habe ich nach langer Recherche das mittelschwedische Örtchen Åsarna. Neben einer Jugendherberge und einem vielversprechenden Loipennetz gibt es dort allerdings nicht viel mehr und das ist auch gut so. Für die Anreise habe ich den Nachtzug gewählt, der nahezu täglich von Göteborg nach Östersund und weiter 'gen Norwegen fährt. Ab Östersund geht es nach kurzem Aufenthalt weiter mit der Inlandsbana, die unregelmäßig und saisonal-bestimmt fast ganz Schweden der Länge nach durchfährt (Hauptstrecke von Gällivare bis nach Mora).

Aufgrund des Feiertages ist die Anreise zur Anreise mit dem Bus, der Fähre, dem zweiten Bus und der Straßenbahn allerdings weniger gemütlich als die folgende Fahrt im Liegewagen der SJ. Vor dem Boarding teilt die Schaffnerin die Abteile entsprechend der aktuellen Buchungslage neu auf, so dass ich mir das Abteil nur mit einer weiteren Person teile. Die Nachtzüge in Schweden sind zwar etwas in die Jahre gekommen, aber dafür gut gepflegt und verstreuen mit hölzernen Fensterblenden den Charme einer vergangenen Eisenbahnepoche. Die Nacht im Liegewagen ist angenehm, wobei man wortwörtlich hauptsächlich liegt anstatt schläft, während draußen die Nacht vorbeizieht. Pure Romantik.

Die Fahrt mit der Inlandsbanan folgt im nächsten Artikel mit ein paar Impressionen aus dem Winterwunderland!

Bis dahin,

Kai

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