Es ist frisch geworden in Göteborg, aber für nennenswerten Schneefall reicht auch das nicht - von Skifahren einmal ganz abgesehen. Und trotzdem ist es möglich. Im nordwestlichen Stadtteil Kviberg bietet Nordeuropas größte Multisportarena nicht nur klassischen Sportarten wie Fußball oder Hockey die notwendige Infrastruktur. Anstelle einer Tiefgarage besitzt die Prioritet Serneke Arena zudem nämlich auch ein Skidome. Bei winterlichen -4°C kann man auf knapp 1,3 km die Außenwelt vergessen und ein paar Runden Ski(lang)laufen und das auch im Sommer.
Logieren mit Zugblick
Zu dieser Jahreszeit finde ich es allerdings weniger verwerflich diese Möglichkeit auch zu nutzen. So habe ich mich für das erste Dezemberwochenende im First Hotel G direkt am bzw. über dem Hauptbahnhof eingemietet. Wortwörtlich naheliegender wäre mit Sicherheit das integrierte Hotel Kviberg Park gewesen. Die Möglichkeit als passionierter Bahnfahrer einmal direkt über den abfahrenden Zügen zu schlafen war letztlich doch attraktiver und dank eines Angebotes auch außerordentlich günstig.
Während ich aus meinem Zimmer die Gleise nur erahnen kann, so läuft man im Fitnessbereich direkt überhalb der Prellböcke. Nach der Ankunft nutze ich diese Möglichkeit also unverzüglich und genieße die abendliche Bahnhofsatmosphäre, während unter mir Menschen weniger entspannt dem gleichen Zug hinterherlaufen. Wenig später zieht es auch mich wieder nach draußen und ich beende den Tag mit einem Spaziergang durch die weihnachtlich-beleuchtete Innenstadt.
Um mir die frisch-gespurten Loipen am Samstagmorgen nicht entgehen zu lassen, klingelt der Wecker bereits um 6.45 Uhr. Ein paar Minuten später stehe ich überpünktlich im leeren Frühstücksraum. Die Auswahl ist ausreichend, vielleicht etwas sparsam, aber mit Gemüse, Pfannkuchen, Croissants und Marmelade trifft es meinen Geschmack. Unweit der Anzeigetafel in der Bahnhofshalle frühstücke ich entspannt und mache mich um 20 Minuten vor Acht auf den Weg zum Skidome. Vom Hauptbahnhof kann man dieses innerhalb von zehn Minuten mit der Straßenbahn erreichen und geht danach das restliche Stück zur Multisportarena.
Skiläufer vs. Bremspfeiler
Den (ermäßigten) Eintritt für Studierende von knapp 15,- € empfinde ich als außerordentlich günstig, wenn man bedenkt wie viel Energie, Pflege und Arbeitskraft ein derartiges Zentrum bedarf und ein Kinoticket oft schon im selben Preissegment liegt. Zum Umziehen und Verwahren persönlicher Gegenstände kann man die Örtlichkeiten des angrenzenden Fitnessstudios nutzen und nach wenigen Minuten bin ich startklar die diesjährige Skisaison zu eröffnen. Da ich meine eigenen Skier mitgebracht habe, spare ich mir auch diesen zeitraubenden Teil und bin um zehn nach 8 Uhr einer der ersten in der Loipe.
Auf 1,3 km Länge geht es im beschneiten Keller - ohne Kontakt zur Außenwelt - leicht auf oder ab und in Schlangenlinien quer durch die Halle. Neben ein paar Winterwaldpanoramen hat man zusätzlich die massiven Betonsäulen gelegentlich mit Sprüchen verziert. Welcher bremst die meisten Skiläufer aus? Etc.
Insgesamt ist es natürlich wenig ereignisreich, aber mit dieser Einstellung sollte man hier auch nicht hinkommen. Dementsprechend genieße ich die Zeit im Winter und sehe es eher als Traningseinheit sowie ersten Vorgeschmack auf den Winterurlaub... Ohnehin ist es mit Hinblick auf die fortwährende Krise zur Abwechslung auch mal gut den Alltag hinter sich zu lassen, abzuschalten und einmal nicht an Infektionen, Einschränkungen und Abstand halten zu denken. Letzteres hält man hier (natürlich) ohnehin, um unangenehme Zusammenstöße mit Säulen und/oder anderen Läufern zu vermeiden.
Im Wahn der Zeit
Trotzdem Garmin hier im Keller seine Sportuhren bewirbt, so hat man sich leider keine Alternative überlegt den mangelnden GPS-Empfang zu ersetzen. Nach diversen Runden mit gelegentlich Trinkpausen beträgt meine Zeit in Bewegung etwas über zwei Stunden. Entsprechend der Länge der Strecke und einer durchschnittlichen Rundenzeit von etwa vier Minuten muss ich also knapp 31 km zurückgelegt haben - ich bin überrascht. Allerdings auch kaputt. Obendrein scheint man sich auch darum gekümmert zu haben, dass es fortwährend mindestens so kalt ist, dass die Hände anfangen zu frieren, wenn man nicht in Bewegung ist.
Da es bereits auf die Mittagsstunde zugeht entscheide ich mich, vorerst eine Pause einzulegen und gehe im angrenzenden Restaurant Mittag essen. Es gibt Spaghetti Bolognese mit Rucola und phänomenalen eingelegten Zwiebeln. Im Anschluss bin ich zwar wieder bei Kräften, merke aber dass ich es lieber nicht noch weiter übertreiben sollte und drehe nur noch zwei kleine Auslaufrunden. Zudem ist die Skatingspur mittlerweile derart "lose", dass es auf geraden Strecken unnötig viel Kraft kostet die Geschwindigkeit zu halten.
Der Abschied fällt mir also nicht schwer und ich mache mich gut ausgepowert und zufrieden wieder auf den Rückweg zum Hotel.
Bis dahin,
Kai